Bis zum 23. April 2023 könnt ihr euch sie noch ansehen, die Ausstellung „Guter Stoff – textile Welten von der Hansezeit bis heute“ im Hansemuseum in Lübeck. Das solltet ihr unbedingt tun und nehmt vor allen Dingen auch Menschen mit, die ich in meinem Buch „Abschaffung der Problemzonen“ als „textile Analphabeten“ bezeichnete weil sich bisher noch nicht wirklich für Kleidung und Stoff interessieren.
Dabei ist Kleidung weitaus mehr, als modischer Schnickschnack oder „Frauen-Gedöns“, denn Kleidung ist für uns alle relevant.
Kleidung ist genauso wichtig wie Nahrung
Ich bemerke immer wieder, wie wenig im Grunde die Menschen um mich herum über Kleidung wissen. Obwohl jedeR tagtäglich Kleidung trägt, scheint diese quasi vom Himmel gefallen zu sein. Obwohl das Thema Kleidung ebenso nah an uns dran und lebenswichtig ist, wie zum Beispiel Nahrung und Kochen, gibt es doch weitaus weniger Interesse und mediale Beachtung. Kochshows im Fernsehen, Diskussionen um fleischlose Nahrungsmittel – Essen ist Religion und Unterhaltung zu gleich. Doch der Kleidung wird wenig Beachtung geschenkt, wenn mensch nicht gerade ratlos vor dem Kleiderschrank steht, und das Gefühl hat, partout nichts anzuziehen zu haben.
(Auf dem Bild sind erhaltene Fragmente von Kinder-Kleidung zu sehen – beeindruckend, denn wie man sich denken kann, sind Textilien aus natürlichen Fasern sehr empfindlich.)
Dabei haben wir weitaus mehr Bekleidungsstücke, als wir brauchen. Die Ausstellung macht deutlich, dass Kleidung als Thema ein Dauerbrenner ist. Schon in der Hansezeit zeigten diejenigen die es sich leisten konnten (und das waren damals nicht mehr nur die Adligen), wer sie waren, in dem sie Kleidung bewußt wählten. Kleidung machte klar, wer sich welche Farben und Materialqualitäten leisten konnte.
Auf Figur geschnittene Kleidung als Zeichen von Wohlstand
In der Ausstellung lernte ich, dass schon im Mittelalter den Körperlinien folgende, gut passende Kleidung ein Zeichen für Wohlstand war. Das ist eigentlich logisch, aber ich hatte noch nie darüber nachgedacht: Kleidung wurde vererbt, verschenkt, verkauft und getragen, bis sie wirklich auseinander fiel – nur wer es sich leisten konnte, konnte Kleidung derart passend machen oder machen lassen, dass sie nur auf einen bestimmten Körper passt – alle anderen trugen „Säcke“. Heutzutage ist das ähnlich und doch ganz anders: weil es so viel billige Massenkonfektion gibt, spielen Farben und Muster eine größere Rolle, als gute Passform. Wir nehmen Falten hier und Falten da in Kauf gerade, weil Kleidung so erschwinglich ist.
Ökonomie und Textilien
Die Verknüpfung von ökonomischen und textilen Themen hat mir in der Ausstellung besonders gut gefallen, denn sie macht deutlich, dass die Beschäftigung mit Kleidung nichts ist, was nur für „Textilnerds“ von Interesse sein könnte. Kleidung, Gesellschaft und Ökonomie sind tief miteinander verbunden – deswegen ist es auch schlüssig, dass das Museum, das über den Wirtschaftsverbund der Hanse informiert, sich eines textilen Themas annimmt.
Schon im Mittelalter trug die Textilherstellung der -Handel maßgeblich zur wirtschaftlichen Entwicklung und Vernetzung von Regionen bei. Die Hanse organisierte Lieferketten für Produktion in mehreren Ländern, setzte Qualitätsmaßstäbe und sorgte überhaupt erst dafür, dass Fasern aus anderen Regionen, Stoffe, die in anderen Ländern produziert wurden überhaupt in unsere Region kamen, damit hier daraus Kleidung produziert werden konnte. Schon damals war die Herstellung von Kleidung ein internationales Geschäft. Es hat also eine lange Tradition und die Geschichte beginnt nicht mit dem 5-Euro-Shirt aus Fernost.
Von Lieferketten bis Fast Fashion
Die Ausstellung spannt einen breiten Bogen vom Mittelalter bis in die Zukunft. Moderne Fasern werden vorgestellt, Qualitätssicherung durch Marken wird erklärt und es wird ein kritischer Blick auf Überproduktion und Fast Fashion geworfen.
Besonders gut gefallen hat mir ein konkreter Konsumentinnentip: In einem Video wurde erläutert, welche Fasetypen (Rohmaterial von Baumwolle bis Chemiefaser) der Umwelt mehr oder weniger schaden.
Weniger Konsum und weniger Kleidung
Wir können etwas dafür tun, dass die Produktion von Kleidung, die in rasanter Geschwindigkeit zu einem der Hauptverursacher der Klimakrise wird, nachhaltiger geschieht. Wir haben die Wahl, bestimmte Fasern zu bevorzugen, aber vor allen Dingen haben wir die Chance, mit textilem Wissen uns für einen bewussten Umgang mit Kleidung zu entscheiden.
Aufklärung ist immer gut – deswegen: lasst euch die Ausstellung nicht entgehen, sattelt die Pferde – Lübeck ist immer für eine Reise gut – und nehmt alle mit. Und für diejenigen, die leider ganz am anderen Ende der Republik wohnen: es gibt tolle ergänzenden Informationen zu Ausstellung. Guter Stoff für alle!
Liebe Meike, vielen Dank fürs Teilen und ich persönlich freue mich sehr auf mehr Blogbeiträge, da bin ich ganz old-fashioned 🙂
Und ich möchte hier noch los werden, dass ihr mich schon jetzt mit der Idee und dem Programm vom #roteskleid total begeistert. Ihr drei mit einer gemeinsamen Aktion: das kann nur gut werden. Ich danke euch schon mal im Vorfeld! Und muss mal schauen, ob ich noch rot in meinem Stoffschrank finde, um ein Kleid zu nähen!
Vielen Dank, liebe Manou, dann passen wir ja zusammen, ich bin auch ganz old-fashioned 🙂 Naja, oder wir machen ein Blog-Revival. Das wäre natürlich noch toller. Das freut uns wirklich sehr, dass #roteskleid begeistert. Wir sind schon so gespannt, auf eure roten Kleider! Viele Grüße Meike
Liebe Meike, mit Deinem Bericht über die Ausstellung im Hansemuseeum in Lübeck hast Du mich so neugierig gemacht, dass ich mich spontan entschlossen mit meiner Freundin Mitte März diese auch zu besuchen. Das ist ein toller Anlass für einen Wochenendtripp. LG Maren aus Leerhafe in Ostfriesland
Das ist ja super. Lübeck ist ja ohnehin immer eine Reise wert. Viel Spaß euch und schön, von dir zu lesen! Viele Grüße Meike
Liebe Meike, ich war auch in dieser Ausstellung und fand sie, genau wie das ganze Museum, total spannend. Deinen Blog/das Buch werde ich mir mal genauer ansehen 🙂 Für mich bedeutet nähen können, nicht auf den überteuerten Plastik-Ramsch angewiesen zu sein, der momentan angeboten wird. Ich war damals zwar noch ein Kind, ich kann mich dennoch daran erinnern, dass das vor der Abwanderung der Textil-Industrie mal anders war. Wenn man heute Pullis aus 50% Akryl für 300 Eu angeboten bekommt, finde ich das eine Frechheit. Ganz zu schweigen davon, dass eine bekannte britische Jackenfirma Damenjacken mit Polyester füttert, Herrenjacken aber mit Baumwolle….
Liebe Anne Sophie,
vielen Dank für deinen Kommentar. „Plastik-Ramsch“ ist das richtige Wort – dabei finde ich es noch nicht mal wichtig, zu welchem Preis. Denn in billig ist es ja auch immer noch Ramsch und wird dementsprechend gekauft und nicht wertgeschätzt. Von der Vorgehensweise der britischen Firma lese ich hier zum ersten Mal. Das ist ja wirklich krass.
Viele Grüße Meike