„Bitte zieh zur Lesung ein rotes Kleid an,“ sagte meine Freundin und Verlegerin Constanze Derham vergangenen Oktober und stürzte mich damit in Verzweiflung. Draußen war es kalt und mein liebstes rotes Kleid hat kurze Ärmel.
Sie hatte natürlich recht, mit roten Kleidern fällt frau auf und ist unübersehbar. Diese Erfahrung hatte ich mit meinem erfolgreichsten Social- Media- Foto ever gemacht, auf dem ich über dem roten Kleid sogar noch einen in leuchtenden Farben wildgemusterten Mantel trage. Doch das Kapuzenkleid wollte ich nicht zu einer Lesung tragen – so ein Hoodie erschien mir dann doch zu leger. Wer einen großen Auftritt möchte, braucht etwas, das ein bisschen mehr her macht.
Ein königliches Outfit
Das erinnert mich daran, wie ich vor 20 Jahren zur Premiere meines ersten Buches überlegte, welches Outfit ich für Pressfotos tragen könnte. Damals nähte ich noch nicht so versiert und mir war durchaus klar, dass es gar nicht so leicht werden würde, in den üblichen Geschäften für große Größen etwas zu finden, was mehr als in Verkäuferinnensprache „flott“ sein könnte.
Ninjakleid und Stadtmantel 2017
Ich hatte Glück: Die Designerin Annette Rufeger hatte Spaß daran, einer Plus-Size-Lady wie mir etwas ganz Besonderes für meinen Sprung in die Öffentlichkeit zu entwerfen. Nach einem kurzen Brainstorming erschuf sie einen himbeerfarbenen Hosenanzug plus weißer Bluse mit königlichem Kragen. Eine selbstbewusste, schöne, starke, moderne Königin wollte ich sein, aber kein Hermelin sollte für meinen Auftritt sterben.
Ich liebte diesen beerenfarbigen Hosenanzug, der mir stets Aufmerksamkeit verschaffte und wünschte damals, ich hätte noch ein paar Anzugsvariationen, um nie mehr etwas anderes tragen zu müssen. Doch mehr als einen maßgeschneiderten Designerinnenanzug konnte ich mir trotz Bestseller nicht leisten, denn es ist ja eher unwahrscheinlich, dass eine mit Bücherschreiben reich wird.
Die Nähnerd-Community
Zehn Jahre später lernte ich mir Kleidung zu nähen, die richtig gut passt. Einen großen Anteil an meiner Motivation, diese Fähigkeiten zu vertiefen, hatte die Nähbloggerinnen-Community. Wir bloggten damals sehr rege über den kompletten Prozess von den Nähplänen bis hin zum fertigen Kleidungsstück. Durch lebhaften Austausch in den Kommentaren, bei Bloggerinnentreffen und gemeinsamen Aktionen wie dem Me-Made-Mittwoch entstand ein riesiger Wissensschatz, für alle zugänglich in der Blogosphäre.
Doch nicht nur unsere Nähfertigkeiten wuchsen, auch die damit verbundenen Gedanken und das persönliche Wachstum wurde in Blogbeiträgen dokumentiert. Ich hätte mein Buch Abschaffung der Problemzonen weder schreiben noch denken können, ohne den Austausch in der Gemeinschaft von Nähnerds (wie wir uns damals nannten) zu haben.
Constanze und ich waren damals im Organisationsteam des Me-Made-Mittwochs und machten eine Entdeckung: Unter den Hunderten von selbstgenähten Kleidungsstücken, die jeden Mittwoch bei der Mitmach-Aktion gezeigt wurden, gab es eindeutige Klick-Sieger: die roten Kleider. Egal, ob das Kleid ganz oben oder weit unten in der Galerie der gezeigten Kleidung war – im Vergleich zu anderen Bildern bekam es ein Vielfaches an Aufmerksamkeit
Wo bekomme ich so schnell ein rotes Kleid her?
„Ich muß mir ein neues rotes Kleid für die Lesung nähen“ war die einzig logische Schlussfolgerung. Doch leider hatte ich nur noch wenig Zeit – schon am übernächsten Tag sollte die Lesung stattfinden.
Wie gut, dass ich Freundinnen habe! Ich packte das rote Lieblings-Sommerkleid in den Koffer und meine Freundin Lindy – ja genau, die Modedesignerin, die ihre großartigen Designs nicht nur in einer Boutique verkauft, sondern auch Hobbyschneiderinnen als Schnittmuster zur Verfügung stellt – schnappte sich ihr Yes Dress-Schnittmuster, veränderte es mit ein paar Details und nähte mir kurzerhand einen roten Mantel, um das Sommerkleid zu einem herbstlichen Outfit zu verwandeln.
Mit roten Kleidern die Welt verändern
Als Constanze in Lindys Designatelier mein Outfit sah, hatte sie noch eine wunderbare Idee. „Was wäre“, schlug sie vor,“wenn wir Frauen dazu ermuntern und sie unterstützen, rote Kleider zu nähen und zu tragen, damit alle die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen?“
Genau so wurde die Idee zu der Aktion #rotesKleid geboren.
Also lasst uns loslegen: Nähen wir rote Kleider, vernetzen und unterstützten einander, werden wir sichtbar und machen wir anschließend mit unserer Power die Welt zu einer besseren. An den roten Kleidern werden wir uns erkennen, mit dem Hashtag #rotesKleid werden wir uns finden. Wir werden unübersehbar sein.
Das ist ja eine schöne Entstehungsgeschichte!
Ich bin so gespannt und hoffe auf Horden von rotgewandteten Frauen.
Herzliche Grüße
Sabine
Danke, liebe Sabine. Wir freuen uns sehr, dass du mit dabei bist! Viele Grüße Meike